Slowenien kann sich glücklich schätzen eine solch herausragende Präsidentin zu haben. Wenn man dagegen die Kakistokratien im überwiegenden Teil Europas und in den USA sieht, dann weiss man, warum die Welt ein Tollhaus ist.
Die bemerkenswerte Rede der slowenischen Präsidentin in deutscher Übersetzung:
Sehr geehrter Herr Präsident der Nationalversammlung der Republik Slowenien, Clako Zupanchic,
sehr geehrter Herr Premierminister der Republik Slowenien, Dr. Robert Gulop, Exzellenzen und verehrte Gäste,
sehr geehrte Damen und Herren,
es ist mir eine besondere Freude, Sie zu dem 20. Bled-Strategie-Forum zu begrüßen. Zwei Jahre zuvor hatte ich das Privileg, eine Retrospektive vergangener Forenbeiträge zu sehen. Anscheinend vergossen einige Mitglieder des Organisationsteams Tränen vor Stolz und ich würde sagen, mit Recht. Es ist schwer zu begreifen, wie viel Zeit und Energie aufgewandt werden müssen, um diese Veranstaltungen erfolgreich zu machen. Deshalb an alle BSF-Teams in all den Jahren: „Danke!“
Vieles hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten verändert. Die glorreichen Tage sind für unseren Kontinent vorbei. Europa ist nicht länger der globale und wirtschaftliche Schwerpunkt. Trotzdem wünschen sich große und kleine Länder weltweit Europa als verlässlichen Partner. Ein starkes Europa kann, wie sie sagen, ein Verbündeter jener sein, die nicht von Großmächten abhängig sein oder von ihnen kommandiert werden wollen. Es ist eine Ehre, zu sehen, dass der Rest der Welt Europa als wichtigen Akteur bei internationalen Beziehungen will. Jedoch riskieren wir das Gegenteil, indem wir es Politikern und Parteien übergeben, die ein schwächeres, nicht gut vernetztes integriertes Europa bevorzugen. Sie glauben, der Bilateralismus überträfe den Multilateralismus. Sie lehnen die Werte ab, auf denen die europäische Integration beruht. Heutzutage ist es deshalb wichtiger denn je, diese Werte zu diskutieren, die Werte, die uns menschlich machen. Ich fürchte mich, es auszusprechen, aber ich muss es tun. Vor 25 Jahren übernahm die Europäische Union den Leitsatz: „In Vielfalt geeint.“ Jedoch heute habe ich das Gefühl, dass wir stattdessen weit davon entfernt sind, diese Verpflichtung in die Tat umzusetzen. Statt einer Einigkeit geht unser Kurs in Richtung Uneinigkeit.
Sehr geehrte Damen und Herren, ist das die Art und Weise, wie wir mit den Großmächten kooperieren, beziehungsweise konkurrieren wollen. Ich hoffe, Europa wird ein anerkannter Akteur auf der internationalen Bühne werden. Ich hoffe, dass geopolitische Diskussionen und Entscheidungen, die Europa beeinflussen, nicht ohne Europa geschehen, auch nicht in Zukunft. Und ich hoffe, Europa steht weiterhin fest hinter der zentralen Prämisse des Epilogs zum Angriffskrieg gegen die Ukraine und dass keine Entscheidungen über die Zukunft der Ukraine ohne sie getroffen wird.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Europa wird nur wettbewerbsfähig sein, wenn wir lernen, für den Erfolg der (Europäischen) Union und all ihrer Bürger unsere Differenzen und Eigeninteressen beiseite zu lassen. Das wird nur möglich sein, wenn wir an Europa als ein wirtschaftliches und politisches Projekt glauben, das jeder versteht und unterstützt. In einem solchen Europa werden wir die Demokratie als Lebensform nicht infrage stellen. Wir werden den Binnenmarkt ernst nehmen. Wir werden für die Armen, die Alten und die Schwachen sorgen. Und wir werden wissen, wie wir unsere Interessen als Europäer verfolgen. Denn es herrscht Vielfalt. Man kann eine Vielfalt nicht anerkennen ohne grundlegende Menschenrechte. Das ist jedoch nicht der Fall. 70 Jahre nach der Integration und 35 Jahre nach Ende des Kalten Krieges macht sich Skepsis in Bezug auf Menschenrechte breit, sowie Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz gegenüber denen, die anders sind oder anders denken. Das sind die größten Herausforderungen. Genauso wie die Verweigerung der Rechte für Frauen, Marginalisierung von Minderheiten, Schuldzuweisungen für Migranten und alarmierender Weise Unterstützung der Politik von Genozid und Apartheid.
Exzellenzen, hochverehrte Gäste,
nur 80 Jahre sind seit dem Ende des 2. Weltkrieges vergangen, lediglich 80 Jahre. Und wir scheinen bereits vergessen zu haben, wie wichtig Menschenrechte und Menschenwürde für die Zivilisation und den sozialen Fortschritt ist. Diese kollektive Amnesie sitzt so tief, dass sogar die Prävention eines Genozids, dem abscheulichsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit, nicht länger die Dringlichkeit hat, die sie einst besaß. Ich bin nicht hier, um die Entmenschlichung von Millionen unter dem Nazismus und Faschismus, die zu dem Holocaust und anderen Verbrechen gegen die Menschheit führten, zu vergleichen, davon bin ich weit entfernt. Trotzdem muss ich dies sagen: Die Welt verurteilte den Genozid von Srebrenica und brachte die Täter (Verursacher) vor Gericht.
Weshalb tolerieren, ja verteidigen einige Politiker sogar, nur drei Jahrzehnte danach, Israels Politik des Genozids gegenüber den Palästinensern in Gaza? Die Internationale Gemeinschaft verurteilte eindeutig den Terrorangriff der Hamas im Oktober 2023. Weshalb also erreichen wir diese Einstimmigkeit nicht genauso, wenn es um die Menschen geht, die in Gaza leben? Wie kann es sein, dass es immer noch Politiker gibt, darunter auch europäische Mitgliedsstaaten, die tolerieren, dass die meisten Menschen in Gaza mehrfach vertrieben wurden? Dass mehr als 90 % der Häuser beschädigt oder zerstört wurden? Wie können wir diesen akuten Mangel an Nahrung, Wasser, Treibstoff, Medizin und Unterkünften einfach hinnehmen, beziehungsweise Berichte, dass Israel mit dem Süd-Sudan über den Transfer aus einem vom Krieg gebeutelteten Land, in dem Hungersnot droht, in ein anderes verhandelt? Oder die Tatsache, dass selbst humanitäre Mitarbeiter und Ärzte hungern, während sie versuchen, denjenigen zu helfen, die in Not sind? Wie können (deren Herzen) nicht erweicht werden, sehr geehrte Damen und Herren, nachdem Nachrichten die Welt erreichten, dass Gaza Stadt nun offiziell an einer Hungersnot leidet?
Verehrte Gäste, das sind keine rhetorischen Fragen. Als Menschen müssen Sie sicherstellen, dass der Gazastreifen und die Westbank niemals aus dem politischen Rampenlicht verschwindet, und zwar aus mehreren Gründen:
Erstens, weil wir bei unserem Umgang mit Gaza zeigen, wer wir sind. Gaza wurde zu einem Symbol für unser Verhalten bei Gräueltaten weltweit. Wenn wir uns nicht um Gaza kümmern, welches Recht besitzen wir, um überall gegen schwere Verstöße gegen Menschenrechte vorzugehen?
Zweitens, weil unser Umgang mit Gaza unser Verständnis für Menschlichkeit widerspiegelt. Wenn Europa sich für Menschenrechte als universelle Werte einsetzt, meinen wir das ehrlich, oder ist das nur ein Mittel, um den politischen Diskurs zu dominieren?
Drittens, weil die Menschlichkeit unteilbar ist, sind wir zu Recht vereint, indem wir Russlands Angriff auf die Ukraine aufs Schärfste verurteilen. Wir stehen an der Seite des ukrainischen Volkes und unterstützen das Prinzip der territorialen Integrität. Wir dürfen einem Land nicht erlauben, das Territorium eines anderen Landes anzugreifen, nur weil ihm das möglich ist. Wir dürfen nicht zulassen, dass Menschen, die nur ihr Land gegen einen Angreifer verteidigen, getötet werden. Bei der Ukraine verteidigen wir Völkerrecht und Menschlichkeit. Werte und Normen sind Werte und Normen, die überall und für jeden gelten, auch für die Menschen in Gaza.
Viertens, weil Europa bei der Verteidigung der Menschlichkeit Einigkeit zeigen muss. Die ultimative Antwort auf Israels Aktionen in Gaza wird der Welt beweisen, wie unsere Führer Europas Zukunft sehen, ob Demokratie, Einigkeit, Vielfalt und Vertrauen zum Völkerrecht im Mittelpunkt der europäischen Integration bleiben. Davon abgesehen, finde ich nur wenig Gründe für Optimismus. Angriffe gegen die Demokratie und fundamentale Freiheiten sind überall sichtbar. Viele von uns wuchsen auf mit Führern, die Autokratien während des Kalten Krieges kritisierten. Mehrere dieser Regime bestehen noch und ihre Praktiken verbreiten sich bedauerlicherweise auch in Europa. Freiheit der Gedanken, akademische Freiheit und investigativer Journalismus bildeten einst den demokratischen Diskurs. Jedoch heute nicht mehr, und das ist falsch, das ist historisch falsch. Ohne Freiheit der Gedanken kann es keinen Fortschritt geben. Versuche, die freie Rede einzuschränken, stoßen immer auf Widerstand. Diejenigen, die die Gedankenfreiheit und das kritische Denken unterbinden, enden stets auf dem Scheiterhaufen der Geschichte. In diesem Sinne möchte ich meine Unterstützung für die Initiative ausdrücken, den Friedensnobelpreis an Francesca Albanese, Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für die Westbank und Gaza, sowie an die Ärzte, die sich um die Menschen in Gaza kümmern, zu verleihen. Sie verdienen Anerkennung. Sie verdienen Anerkennung, weil sie ihr Leben riskieren, um Frieden herzustellen und Menschlichkeit zu erhalten. Sie verkörpern das, was Multilateralismus für Menschenrechte auch bedeutet, hindern einzelne Politiker daran, ungestraft zu handeln.
Liebe Freunde,
wir können nicht daneben stehen und zusehen, wie die Geschichte sich ohne uns entfaltet. Wir dürfen nicht kalten Pragmatismus in Europas Seele eindringen lassen. Nun ist es an der Zeit, den Mächtigen die Wahrheit zu sagen, die mutige, unerschütterliche Wahrheit, um die Einheit in der Vielfalt in den europäischen Traum zurückzubringen. In einer erweiterten Europäischen Union gedeihen Menschenrechte und Menschenwürde in einer Welt, die stabil und gerecht ist. Aber in Zeiten von Krisen und Ungewissheit beginnt der wahre Test, der Test unseres Mutes, unserer Überzeugung, unserer Bereitschaft, fest zusammenzustehen und unsere Werte zu verteidigen. Jetzt ist die Zeit gekommen, unsere Stimmen zu erheben, nicht in einem geflüsterten Kompromiss, sondern in donnerartiger Entschlossenheit. Lasst uns diejenigen zurückweisen, die ihre Werte nach dem Wind des Profits und des persönlichen Gewinns ausrichten. Lasst uns für ein Europa kämpfen, das sich laut in jeglicher multilateralen Form gegen Ungerechtigkeit und Ausschluss, gegen jegliches Verbrechen gegen die Menschlichkeit und für jede Stimme, die zum Schweigen gebracht wurde, äußert.
Sehr geehrte Damen und Herren,
als Führer gestalten wir die Zukunft. Einen Weg in Richtung Demokratie, Wohlstand und Frieden oder eine Spirale, die uns in Angst, Krise und Krieg hineinführt. Dies ist unser Augenblick, um die Seite der Geschichte zu wählen, auf der wir stehen. Milliarden, sehr geehrte Damen und Herren, Milliarden (Menschen) hängen von unserer Wahl ab.
Wir Slowenen glauben an die Gerechtigkeit und wir haben keinerlei Zweifel. Wir stehen fest und stolz auf der Seite der Menschlichkeit. Vielen Dank!