David Ranan ist ein israelisch-britisch-deutscher Autor sowie Kultur- und Politikwissenschaftler. Er untersucht u. a. den Antisemitismus-Diskurs in Deutschland und dessen Politisierung wie auch Antisemitismus unter Muslimen.
David Ranan:
«Die Frage, was mit Israel geschehen soll, muss gestellt werden, sie ist sogar längst überfällig. Die Fakten sind bekannt: Besatzung, Landraub, Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung, um Platz für jüdische Siedler zu schaffen, Angriffe durch jüdische Milizen geduldet durch das israelische Militär, Millionen Palästinenser unter israelischer Militärherrschaft, Kriegsverbrechen und Völkermord.
Die öffentliche Debatte über Israel ist an Doppelmoral kaum zu übertreffen. Wenn Ukrainer das Recht haben, zu den Waffen zu greifen und gegen die russische Besatzung zu kämpfen, warum sollten dann Palästinenser nicht das Recht haben, gegen die israelische Besatzung zu kämpfen? Warum unterstützen wir gleichzeitig die besetzte Ukraine und den Besatzer Israel? Warum liefern wir Waffen an einen Besatzer? Warum ist es in Ordnung, Russland oder den Iran zu boykottieren, aber inakzeptabel, auch nur über einen Boykott Israels, israelischer Siedler oder israelischer Kriegsverbrecher zu diskutieren?
Man muss nicht allen Perspektiven zustimmen, aber man muss darüber diskutieren – und auf die offensichtlichen doppelten Standards der Debatte hinweisen können.
Israelische Lobbyorganisationen arbeiten tagtäglich aktiv daran, eine solche offene Diskussion zu verhindern. Die gängige Taktik Israels und der von ihm finanzierten Lobbygruppen ist der Vorwurf des Antisemitismus. Sehr häufig sind diese Vorwürfe unbegründet, und dennoch verschieben sie den Diskurs so, dass eine offen-kritische Auseinandersetzung über staatliches Handeln Israels schwierig bis unmöglich wird.
Im Übrigen: Wenn Antisemiten es schaffen würden, den israelischen Gräueltaten in Gaza und im Westjordanland ein Ende zu bereiten, dann wären ihr Handeln trotz ihres verabscheuungswürdigen Antisemitismus trotzdem richtig.»