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Dr. med. Henrich
ProVegan Stiftung
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Vor einigen Wochen hatten wir eine Stellungnahme zur Trennung der Stiftung ProVegan vom bisherigen Kooperationspartner El Hogar veröffentlicht: https://www.provegan.info/de/infothek/aktuelles/stellungnahme-der-stiftung-provegan-und-dessen-gruender-dr-med-henrich-zur-beendigung-der-zusammen/ Als Ergänzung dazu ein Erfahrungsbericht der freiwilligen Helferin Saskia Otto, die über das DRK ein freiwilliges Jahr auf dem Tierhof verbringt:

Erfahrungsbericht Saskia, Juli 2017

Mein Name ist Saskia und ich leiste seit dem 1. September 2016 einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst auf dem Tierrettungshof El Hogar ProVegan.

Mein einjähriger Dienst ist nun fast vorüber und ich habe in dieser Zeit sehr viel gelernt – über mich selbst und über andere.
In diesem Bericht möchte ich mich auf meine Erfahrungen auf dem Tierrettungshof konzentrieren.

Der El Hogar ist ein bezaubernder Ort, zuerst einmal von seinem ganzen Aufbau und Erscheinungsbild her. Unzählige Tiere jeglicher Art haben dort ein liebevolles Zuhause gefunden und können an diesem Ort den Rest ihres Lebens in Ruhe und Frieden verbringen, nachdem sie oftmals eine schreckliche und unfaire Vergangenheit erleben mussten.
Ich war auch schon vor Antritt meines Auslandsjahres Veganerin und eine große Tierliebhaberin, doch auf dem Rettungshof habe ich erst wirklich und vollends realisiert, wie toll jedes einzelne Tier ist, wie jeder seinen ganz speziellen Charakter hat, seine Vorlieben und so weiter und dabei ist es egal, um welche Tierart es sich handelt.
Diese vielen einzelnen Persönlichkeiten sind mir alle sehr ans Herz gewachsen und ich sehe mit recht viel Unmut dem Tag entgegen, an dem ich mich von ihnen allen verabschieden muss, zumindest erst einmal wohl für eine gewisse Zeit.

Doch auch ob ich überhaupt auf den Hof zurückkehren werde, ist für mich momentan sehr unklar. So sehr ich von und über die Tiere gelernt habe, so sehr ich sie lieb gewonnen habe und jedes einzelne von ihnen kenne und schätze, umso mehr haben mich die Menschen dort enttäuscht…
Schon vor Antritt unseres Freiwilligendienstes haben wir, meine Mitfreiwillige und ich, Kontakt zu ehemaligen Freiwilligen aufgenommen, um uns ein Feedback und hilfreiche Tipps zu holen. Einer dieser Tipps war auch, sich von den Menschen, die dort leben, nicht zu sehr beeinflussen zu lassen und nicht zu viel Angst zu haben. Wir wurden neugierig und fragten nach und erfuhren dann, dass Elena, die Leiterin des El Hogar, wohl schon hin und wieder einen Freiwilligen zum Weinen gebracht hat. Aber das war in Situationen, in denen sie sich um das Wohl der Tiere sorgte. Jonás, ihr Exmann, der aber auch auf dem Hof lebt und diesen wohl irgendwie mit zu führen schien, sollte wohl auch recht speziell und etwas komisch sein. Er wurde uns beschrieben als „kalt und distanziert“.
Naja gut. Ich hatte mir zwar positivere erste Aussichten erhofft, aber ich habe mich dadurch nicht beeinflussen lassen. Schließlich ist es ein tolles Projekt, an dem wir teilnehmen dürfen und ich wollte mir selbst ein Bild machen. Tierliebe Menschen habe ich zuvor immer als sehr empathisch, respektvoll und freundlich wahrgenommen, von daher hatte ich auch positive Erwartungen an die El Hogar-Familie. Hier möchte ich gleich sagen, dass mich Elena auch niemals zum Weinen gebracht hat. Dafür braucht es bei mir auch eine Weile, aber sie hat mich auch nie so behandelt, dass ich einen Grund dafür gehabt hätte.
Ich habe sie kennen gelernt als eine Frau, die sehr viel über Tiere weiß und sich sehr für ihre „Kinder“ einsetzt und alles tut, um ihre Sicherheit zu gewährleisten.
In den ersten Tagen konnten wir nicht besonders gut mit ihr kommunizieren, da meine Spanischkenntnisse sehr bescheiden waren und meine Mitfreiwillige die Sprache noch gar nicht kannte. Englisch konnte auch keiner, außer Jonás, aber den haben wir am Anfang nicht allzu oft gesehen und uns wurde gesagt, dass wir, wenn es um unsere Aufgaben geht, zu Elena kommen sollen, was ein bisschen schwer war durch die Sprachbarriere, aber dazu später mehr. Glücklicherweise war während unseres ersten Monats eine andere deutsche Freiwillige auf dem Hof, die uns viel geholfen und immer übersetzt hat. Unsere anfänglichen Aufgaben waren solche, für die man nicht allzu große Kenntnisse braucht, was verständlich ist, wenn man neu ist. So mussten wir anfangs sehr sehr viele „Cacas“ beseitigen. Das ist ok, denn viele Tiere produzieren auch viele cacas. Uns wurden aber auch direkt einige Tieraufgaben zugeteilt, da das Rote Kreuz (, unsere Entsendeorganisation,) sich von Anfang an dafür eingesetzt hat, da unsere Vorgängerinnen sich wohl öfter mal eher wie Putzhilfen als alles andere vorkamen. Dadurch durften wir uns von Anfang an um die Tauben, zwei leukämiekranke Katzen und die beiden Kaninchen, die aber leider nach einigen Monaten verstarben, kümmern. Hin und wieder mussten wir auch mal die obere oder untere Etage putzen, aber das ist auch ok, denn viele Tiere machen auch viel Dreck und so gehört dies zu den Aufgaben, die jeden Tag erledigt werden müssen. Während dieses ersten Monats auf dem Hof haben wir unglaublich hart und viel gearbeitet, wir wollten zeigen, dass wir super motiviert und zuverlässig sind und natürlich verantwortungsbewusst im Umgang mit den Tieren. Doch trotzdem… Wir kamen uns mehr vor wie reine Arbeitskräfte, aus denen so viel Energie wie möglich herausgequetscht werden sollte. Eine Aufgabe war beendet und man bekommt die nächste. Meistens keine allzu schöne. Und in der Regel kam auch kein „Danke“ oder „Super, das habt ihr toll gemacht.“ Es ging einfach nur um das Erledigen von Aufgaben. Núria, die damals auf dem Hof gearbeitet hatte und ein wenig Englisch kann, hat uns dann hin und wieder mal gesagt, dass wir die Katzen bürsten sollen oder eine schön große Runde mit den Hunden gehen sollen. Denn ganz ehrlich, komme ich als Freiwillige auf den Hof, um zum Beispiel als Aufgabe zu bekommen, eine halbe Stunde lang Lauch zu schälen und zuzuschneiden, falls jemand später damit kochen möchte?..

Núria war übrigens aus meiner Sicht eine der größten Bereicherungen, die es für den Hof geben konnte. Sie hat für eine sehr geringe Bezahlung 6 Tage die Woche täglich acht Stunden (i.d.R. aber mehr) auf dem Hof gearbeitet und das so hart und mit vollster Hingabe, dass ich gar nicht weiß, wie ein Mensch überhaupt so viel körperliche Energie besitzen kann. Sie verließ den Hof nach einigen Monaten, die wir da waren, weil es einen großen Streit zwischen ihr und Elena gab, da es Elena wohl nicht gefiel, dass Núria hin und wieder Aufgaben an Freiwillige verteilte (Núria wusste natürlich perfekt, was noch erledigt werden musste, da sie immer draußen bei den Tieren war), obwohl aber Elena die Chefin ist.

Was uns angeht, wurden wir nach unserem ersten Monat immer unglücklicher. Schließlich war eine der Koordinatorinnen aus Madrid nicht mehr auf dem Hof, die Elena immer daran erinnerte: „Denk dran, die Deutschen sollen nicht putzen.“
So kam es dann soweit, dass wir im Winter irgendwann jeden Tag eine der Etagen putzen sollten oder manchmal getrennt jede eine. Den Rest des Tages haben wir dann in der Regel mit Caca aufsammeln, kochen und abwaschen verbracht und wöchentlich musste auch zum Müllplatz gefahren werden. Das führte dazu, dass wir an manchen Tagen überhaupt nicht mit den Tieren arbeiten konnten. Hier kommt man zu dem Punkt, an dem man feststellt, dass man dafür nicht ein Jahr lang unbezahlt auf einem Tierrettungshof arbeitet. Denn es ist so, dass wir vom El Hogar überhaupt kein Geld oder sonstige Gegenleistung erhalten für unsere 40 Stunden, die wir ein Jahr lang wöchentlich ableisten. Die Unterstützung, die wir erhalten, kommt vom DRK.
Wir fühlten uns sehr unwohl und überhaupt nicht wertgeschätzt. Mehr wie Hausmädchen. Auch hat sich nie so wirklich jemand für uns interessiert. Elena war hin und wieder nett zu uns, hat uns gefragt, was wir fürs Wochenende geplant haben, aber eigentlich meist nur aus Höflichkeit und weil sie wusste, dass es eine komische Distanz zwischen uns gab.

Während dieser Zeit gab es eine Person auf dem Hof, die sich tatsächlich für uns zu interessieren schien. Jemand, der uns fragte, wie es uns geht und ob wir Hilfe bei etwas benötigen. Diese Person war Jonás. Er half uns z.B. nach einem Monat beim Umzug in eine neue Wohnung. Wir lebten im ersten Monat in einer sehr ungeeigneten Wohnung mit Schimmel und Gestank. Zum 1. Oktober durften wir dann umziehen. Jonás bot uns seine Hilfe bei der Wohnungssuche an und war wirklich besorgt. Am Tag des Umzuges hatten wir viele schwere Kisten, die wir allein nicht besonders gut bewegen konnten. Also kam er mit seinem Auto und mit einer Fahrt war alles erledigt. Das machte er einfach aus Nettigkeit und aus Dankbarkeit dafür, dass wir freiwillig auf dem Hof arbeiteten.
Elena hingegen wusste nur, dass wir umziehen würden, weil wir deshalb einen Tag frei bekamen. Nicht, weil sie nachfragte, wie es uns so geht. Viel später erfuhren wir auch, dass sie wohl bis heute nicht weiß, dass Jonás uns an diesem Tag geholfen hat. Sie wäre wohl sehr wütend und eifersüchtig geworden. Auch das haben wir erst später verstanden.

Später, im Winter, gab es auch noch einmal eine Etappe, in der wir beide ständig krank waren, uns aber nie richtig erholten, wodurch diese Periode nie zu enden schien und wir immer hin und wieder bei der Arbeit fehlten, bis uns dann beide eines Tages ein völlig böser Virus erwischte. Wir fühlten uns beide so schlecht wie selten in unserem Leben und quälten uns beide zu Fuß, langsam und kränklich wie zwei Zombies, bis zum Arzt. Auf diesem Weg fuhren Jonás und ein anderer Freiwilliger mit dem Auto an uns vorbei. Sie sahen uns und unseren Zustand, dazu auch noch unsere Geschwindigkeit, mit der wir uns schleppend fortbewegten, sodass sie sich entschieden, anzuhalten und uns zum Arzt zu fahren. Dort half uns Jonás ein weiteres Mal sehr, indem er nicht nur übersetzte, sondern erst einmal durchsetzte, dass wir überhaupt behandelt wurden, weil uns dies aufgrund einer fehlenden spanischen Gesundheitskarte verwehrt werden sollte, obwohl wir anboten, bar zu zahlen. Eine Krankschreibung erhielten wir an diesem Tag nicht, aber offensichtlich brauchten wir Zeit, um uns zu erholen und diese sollte uns auch gegeben sein. Am Ende des Tages erhielten wir auch eine Nachricht von Elena, dass Jonás ihr von der Situation erzählt hat und wir so viele Tage zu Hause bleiben sollten, wie wir benötigten.

Mit der Zeit schrumpfte die Sprachbarriere etwas, aber der Unmut über unsere Aufgaben wuchs. Meine Mitfreiwillige war so unglücklich, dass sie über einen Abbruch nachdachte. Schließlich traten auch Situationen auf, die uns einfach respektlos und unangebracht vorkamen. Beispielsweise putzten wir nie Elenas privates Badezimmer, wenn wir unten putzten. Die Toilette der Freiwilligen ist in Ordnung für uns, die benutzen wir ja auch, aber die private Dusche erschien uns fehl am Platz auf unserer Aufgabenliste. Und Elena sollte das eigentlich auch wissen, schließlich haben alle im Vorfeld gesagt bekommen, dass wir so etwas nicht machen sollen, auch uns wurde das direkt so vom DRK übermittelt. Dennoch stellte sie anscheinend nach einer ganzen Weile fest, dass ihr Bad, in dem damals die Ratte Gota wohnte, immer und immer dreckiger wurde. So sagte sie eines morgens bei der Aufgabenverteilung zu uns, dass Gota an diesem Tag im Außengehege wäre und wir deshalb ohne Probleme das Bad putzen könnten. Ich nehme an mit der Begründung, dass sie sonst durch die geöffnete Tür entkommen könnte. Aber eigentlich war es mir egal, ich hatte gelernt, nicht immer über die Begründung spezieller Aufgabenverteilungen nachzudenken, weil die oft einfach unsinnig waren. Also putzten wir an diesem Tag das Bad einfach trotzdem nicht. Schließlich haben wir in unserer Wohnung jeder selbst ein privates Bad, das es ordentlich zu halten gilt. Jeder kann sich ein bisschen um seinen eigenen Dreck kümmern, auch wenn man sehr viel Arbeit hat. Und nein, wir sind da kein Einzelfall. Das letzte Mal, dass so etwas vorkam, war erst vor wenigen Wochen, als mir eine Freiwillige sagte, dass die Leute hier als Freiwillige herkämen, nicht als Hausmädchen. Auch diese Freiwillige wurde von Elena gebeten, ihre private Dusche zu putzen. Dafür war die junge Frau sicherlich nicht extra von einem anderen Kontinent angereist.
Während dieser Zeit fragten wir uns übrigens, warum Jonás eine Putzfrau hatte und fanden es unmöglich, dass dafür Geld vom Hof verschwendet wurde. Später stellte sich heraus, dass er diese immer von seinem eigenen Geld bezahlt und beschäftigt, weil er nicht denkt, dass es die Aufgabe eines Freiwilligen wäre, seine privaten Räumlichkeiten zu putzen.

Unsere Unzufriedenheit spitzte sich dann auf einen Höhepunkt zu und ich entschied mich, mit Elena zu reden. Wir beide haben das immer vermieden, da wir sie ziemlich speziell fanden und ihre Reaktionen nie vorher einschätzen konnten. Wir sahen oft nur zwei Extreme ihrer Launen: entweder super glücklich, lieb, zufrieden und lebensfroh oder super gestresst, unberechenbar und oft dazu auch traurig. Einige Male weinte sie einfach viel und heftig aus keinem für uns ersichtlichen Grund, was bei uns einfach völlige Irritation verursachte und wir versuchten dann meist, ihr aus dem Weg zu gehen, da wir uns ihr nicht nahestehend genug und auch nicht verantwortlich fühlten, uns um ihre Gefühlsausbrüche zu kümmern. Schließlich war sie unsere Chefin und redete kaum mit uns. Wir sahen uns zwar oft, kannten uns aber eigentlich gar nicht.
Das Gespräch lief, wie ich sagen muss, aber sehr positiv. Ich habe Elena alles erklärt, habe ihr beschrieben, wie wir uns fühlten und was wir uns eigentlich von der Arbeit erhofften. Sie zeigte sich verständnisvoll und auch besorgt, weil ich ihr sagte, dass meine Mitfreiwillige über einen Abbruch nachdachte. In der darauffolgenden Zeit wurden unsere Aufgaben wieder etwas ausgewogener. Wir putzten weniger und sahen die Tiere öfter. Auch erhielten wir mehr Verantwortung, da wir zeigten, dass man uns diese ruhig zukommen lassen kann. Ab da verbesserte sich für mich eigentlich die Zeit auf dem Hof und auch die Beziehung zu Elena. Wir redeten öfter ein wenig miteinander und sie begann, sich für erledigte Arbeiten zu bedanken. Ich denke ihr war klar geworden, dass sie uns brauchte und dass wir gern halfen.

Bald wurde uns dann auch mal zugehört, wenn wir Verbesserungsvorschläge hatten oder wichtige Beobachtungen mitteilen wollten. An einem Tag stellte ich fest, dass sich eines der Kaninchen sehr komisch benahm und daraufhin schickte Elena Jonás mit diesem direkt zum Tierarzt mit den Worten: „Wenn du sagst, dass mit ihr etwas nicht stimmt, dann vertraue ich dir, du siehst sie jeden Tag und wir wollen kein Risiko eingehen.“ Am selben Tag, einige Stunden später, sagte mir Elena, dass wir dank mir kein totes Kaninchen an diesem Tag auffinden mussten und dass es ohne die direkte tierärztliche Versorgung wohl innerhalb weniger Stunden verstorben wäre. Daraufhin bereitete ich dem Kaninchen dann einen geeigneten Platz in der Krankenstation vor, damit es sich erholen und beobachtet werden konnte. Danach ging ich nach Hause. Davon, dass genau dieses Kaninchen kurze Zeit später doch verstarb, erfuhr ich nur aus dem Grund, dass zu dieser Zeit zwei deutsche Mitfreiwillige auf dem Hof waren, die wussten, dass dies eine schon sehr wichtige und traurige Nachricht für mich war. Irgendwie erzählte mir aber generell nie wirklich jemand von Neuigkeiten und einige Tiere waren beispielsweise einfach nicht mehr da und wir dachten uns dann, dass sie wohl verstorben waren. Auch das war für uns ein ziemlich deutliches Anzeichen dafür, dass wir nicht „dazugehörten“. Dabei weiß ich nicht, ob die anderen dachten, wir würden uns nicht für die Tiere interessieren oder ob sie einfach nicht über uns nachdachten. Beides erscheint mir jedenfalls traurig angesichts dessen, dass wir uns wohl offensichtlich sehr um die Tiere sorgen, wenn wir ein Jahr lang unsere kostenlose Hilfe anbieten.

Mit der Zeit verbesserte sich aber auch dieser Aspekt, wir wurden in den letzten Monaten dann schon über Neuigkeiten informiert usw.
Ich denke, dass wir vor allem durch unsere Arbeit mit den Pferden zeigen konnten, wie viel wir eigentlich können und dass wir uns doch auch wirklich um die Tiere sorgen.
Wir schafften es z.B. Justice seine Winterdecke anzulegen oder ihn im Sommer zu baden. Das schien vorher unmöglich. Vor Kurzem, als wir an einem Tag nicht auf dem Hof waren, konnte der Tierarzt dieses Pferd nicht behandeln, weil niemand in der Lage war, ihm ein Halfter anzulegen. Das ist natürlich sehr schade, vor allem falls wirklich einmal eine ernsthafte Behandlung notwendig wird.

Mit der sich verbessernden Beziehung zu Elena und angenehmeren Aufgaben wurde die Zeit auf dem Hof für mich immer schöner und genießenswerter. Dabei soll gesagt sein, dass wir natürlich weiterhin jeden Tag nach dem Essen spülten, wöchentlich zum Müllplatz fuhren und täglich einige cacas zu erledigen hatten. Das ist für mich aber eine ausgewogene Aufgabenverteilung, die es für alle Freiwilligen geben sollte. Denn immer noch war es so, dass die Freiwilligen, die nur kürzere Zeit da waren, den ganzen Vormittag putzten und dann auch nachmittags eher selten Tieraufgaben bekamen. Es ging bei der Aufgabenverteilung also eigentlich kaum um das Wohlbefinden der Freiwilligen, sondern eher um Praktischheit und Nützlichkeit, besonders wenn diese sich nicht laut beklagten aus Sorge, einen schlechten Eindruck zu hinterlassen.

Dies besserte sich dann aber, als eine bezahlte Putzhilfe eingestellt wurde, die täglich meistens die untere, also die aufwendigere Etage putzte. Sie blieb einige Monate, kam dann aber auch irgendwann nicht mehr nach mehreren großen Streits mit den anderen Freiwilligen. Bei den Auseinandersetzungen, die ich selbst mitbekommen habe, hatte sie mit ihren Aussagen immer gute Absichten, wusste sich nur nicht immer gut auszudrücken. So ging es zum Beispiel darum, dass es ihrer Ansicht nach schön wäre, wenn auf dem Hof weniger Produkte mit Palmfett gekauft und konsumiert werden würden oder beim ersten großen Streit bei einem Mittagessen, an dem sie beteiligt war, nahm sie die gute Absicht der Leute, die die ProVegan Broschüren hergestellt haben, in Schutz. Diese wurden von anderen Freiwilligen als „schlecht gemacht und nicht wirksam“ eingeschätzt, da zu viel Text und zu wenige Bilder vorhanden wären und die Putzhilfe bat darum, die Absicht und die Arbeit dahinter doch ein bisschen wertzuschätzen und so etwas erst einmal besser zu machen, statt sich nur zu beschweren.
Das war ein sehr unangenehmer Moment, in dem sich eine unschöne Gruppendynamik entwickelt hat, bei der die Mehrheit sich angegriffen fühlte und sich dadurch gemeinsam gegen eine Person stellte. Ich hatte bis dahin immer versucht, mich herauszuhalten, da ich nichts mit irgendwelchen Streitereien zu tun haben möchte und das Projekt für die Tiere angetreten habe. In diesem Moment habe ich dann versucht, diplomatisch zusammenzufassen, was die eigentliche Aussageabsicht beider Seiten war, um die Situation abzuschwächen zu zeigen, dass eigentlich niemand irgendwen persönlich angreifen wollte. Trotzdem endete die Diskussion erst nicht, da sich Leute in ihrer Meinungsfreiheit angegriffen fühlten, und dann später nur mit einer unangenehmen Stimmung.

Einige andere sehr unangenehme Erlebnisse hatten wir auch aufgrund der Vorgeschichte von Elena und Jonás. Während der ersten Monate merkten wir, dass die beiden öfter mal Meinungsverschiedenheiten hatten, aber das berührte uns persönlich jetzt nicht so sehr, da wir auch das nicht zu unserem Problem machen wollten. Im Großen und Ganzen waren wir auch erstaunt, dass die beiden trotz gescheiterter Ehe noch gemeinsam auf dem Hof leben und arbeiten konnten. Immer mal wieder machte Elena uns klar, dass sie die Leiterin des Hofes ist und wir mit sämtlichen Fragen und Angelegenheiten zur Arbeit zu ihr kommen sollten, aber das war für uns kein Problem.
Diese Situation veränderte sich dann, als Gemma vor einigen Monaten auf den Hof zurückkehrte. Sie zeigte sich erst einmal als sehr engagiert, putzte und kochte viel und gerne und kümmerte sich auch gut um die Tiere. Sie war ausgesprochen nett zu uns beiden. Allerdings gefiel es mir nicht so gut, dass ich nach einigen Tagen von ihr gefragt wurde, was ich über Jonás denke und ob ich nicht auch das Gefühl habe, dass es Elena viel besser geht, wenn er nicht da ist und dass dann doch alles viel entspannter wäre. Ich antwortete damals einfach ehrlich: „Weiß ich nicht. Ich habe eigentlich auch das Gefühl, dass die gesamte Atmosphäre entspannter ist, wenn Elena einen Tag mal nicht da ist.“ Das war nicht die Antwort, die von mir erwartet wurde.

In der darauffolgenden Zeit entwickelte sich dann über Monate hinaus eine Art Bewegung gegen Jonás. Unter den Freiwilligen wurde schlecht über ihn gesprochen und es wurde sich über ihn lustig gemacht. Von einigen Freiwilligen ging dies deutlicher aus als von anderen.

Während dieser Zeit ereignete sich auf dem Hof ein nicht nur für mich sehr unerfreulicher Zwischenfall. Eines Morgens begannen meine Mitfreiwillige und ich unsere Arbeit und teilten uns auf, um unsere Aufgaben schneller und effizienter erledigen zu können. Dabei blieb ich bei einem Pferd, um es zu versorgen und zu bürsten und sie wollte in der Zeit die Tauben und zwei Katzen verpflegen und danach zu mir zurückkehren. Sie brauchte aber ungewöhnlich lange und kam einfach nicht zurück. Ich war aber ohne Walkie-Talkie unterwegs und konnte sie nicht erreichen. Also wartete ich. Nach einer ganzen Weile kam sie dann wieder. Weinend.

Hinter ihr lief Jonás, der irgendwas sagte, das auf „… für die Tiere“ endete und dann verschwand, was die ganze Situation für mich noch eigenartiger erschienen ließ.

Sie schilderte mir dann, was passiert war. Sie war zu den beiden leukämiekranken Katzen gegangen, die im Freigehege vor der Wohnung von Jonás leben. Dort traf sie auch ihn an und sie begannen, sich normal zu unterhalten. Er erzählte ihr, dass er mit dem Gedanken spiele, sich ein neues Auto zu kaufen und zeigte es ihr in einer Broschüre. In diesem Moment kam Elena hinzu, offenbar wütend und ihre Wut auch lautstark zum Ausdruck bringend. Meine Mitfreiwillige verstand kaum Spanisch und konnte das Geschehen deshalb nicht wirklich einschätzen. Sie entfernte sich und begann, die Tauben zu versorgen. Dann rief Jonás sie durch das Walkie-Talkie zu sich und erklärte ihr dann persönlich, dass es ein Problem gäbe und er immer versucht hatte, sie heraus zu halten, aber jetzt wäre das einfach nicht mehr möglich. Elena dächte, die beiden hätten eine Affäre. Ok. Das kam ziemlich überraschend für meine 19-jährige Mitfreiwillige und daraufhin musste sie erstmal kurz lachen. Dieses Lachen verging ihr dann aber ziemlich schnell. Mitten im Haus gab es dann ein Meeting mit ihr, Elena und Jonás, bei dem sie bestimmten Fragen unterzogen wurde. Nach einer Weile forderte Elena auch Gemma hinzu. Meine Mitfreiwillige musste dann versprechen, dass sie keinen Sex mit Jonás hätte, die beiden keine Liebesbeziehung haben oder haben wollen oder sagen, ob sie das Gefühl hätte, er würde versuchen, sie zu verführen und so weiter.

Hierbei möchte ich sagen, dass es dabei um zwei freie erwachsene, ungebundene Menschen geht, die prinzipiell miteinander machen könnten, was sie wollen.

ABER: Für mich ist es einfach inakzeptabel, eine so junge, völlig unbeteiligte Freiwillige ohne jegliche Anhaltspunkte für einen solchen Verdacht in eine derart unangenehme und unangebrachte Situation zu bringen!

Nach diesem verstörenden Ereignis kam dann auch noch Gemma zu ihr und umarmte sie und erklärte ihr, dass Elena das nur getan hätte, um sie zu beschützen, weil sie ja so jung wäre und Jonás so ein schlechter Mensch sei und schon so viele Frauen verletzt hätte.

Ob meine erste Reaktion auf das Gehörte dann die angebrachteste war, weiß ich nicht, denn ich musste erst einmal herzlich lachen. Für mich war es unklar, wie man ernsthaft so realitätsfremd denken konnte. Es gab meiner Meinung nach keinen einzigen Grund, eine solche Vermutung aufzustellen. Ich meine, die beiden unterhielten sich hin und wieder. Ok. Ich redete auch mit Jonás. Er interessierte sich wenigstens ehrlich für unser Wohlbefinden. Aber für mich bedeutet es nicht, dass wenn zwei Personen miteinander sprechen, in aller Regel auch nur, wenn andere Leute herum sind, dass sie dann automatisch Geschlechtsverkehr miteinander haben oder haben möchten. Und ich wusste auch nicht, dass irgendein anderer Mensch solche Rückschlüsse ziehen würde.

Zum Glück half meine Reaktion tatsächlich meiner Mitfreiwilligen, sich ein wenig zu beruhigen und mit etwas mehr Abstand auf die Dinge zu blicken. Sie brauchte sich wegen nichts schlecht zu fühlen und hatte erkannt, dass sie viel reifer als andere ältere, ihr vorgesetzte Menschen ist.
Sie blieb den Tag auf dem Hof und entschied sich, die Tiere weiterhin zu versorgen.
Sie entschied sich auch, noch einmal mit Elena zu sprechen und ihr zu versichern, dass an diesem Einfall überhaupt nichts dran sei.
Ich sollte übersetzen und wir erhielten die Chance auf ein Gespräch während wir auf der Terrasse eine kleine Pause machten und Elena vorbeikam. Meine Mitfreiwillige sagte ihr dann, dass sie die Situation nicht verstehe und dass Jonás ihr Vater sein könnte.
Elena zeigte sich äußerst verständnisvoll und versicherte mir, dass sie das weiß, dass es ihr alles schrecklich leid täte und dass sie wüsste, dass meine Mitfreiwillige ja ganz lieb und unschuldig sei und „so etwas“ nie machen würde. Die böse Person bei der Sache wäre Jonás, der sie schädigen möchte und ihr Psychologe hätte ihr gesagt, dass jener künftig besonders viel mit jungen, hübschen Freiwilligen sprechen würde, nur um sie, Elena, emotional anzugreifen. Und das stimme doch auch. Warum rede er denn nicht mit den anderen, männlichen Freiwilligen, sondern viel mehr mit uns?

Also, damit das klargestellt ist, meinen Beobachtungen zufolge sprach er zu dieser Zeit auch mit männlichen Freiwilligen.

Des Weiteren erzählte sie dann noch ganz verrückte Geschichten aus der Vergangenheit, wo er sie angeblich betrogen hätte und ging dabei ziemlich ins Detail – was ich jetzt nicht machen möchte.
Dadurch sollten wir ihre schlimme Opferrolle und seine böse Täterrolle verstehen.
Was davon wahr war, konnten wir zu diesem Zeitpunkt nicht wissen und das wollten wir auch nicht. (Einige Widersprüche während ihrer eigenen Rede ließen mich aber direkt an deren Wahrheit zweifeln.)
In jedem Fall ist aber auch das etwas, in das wir als Freiwillige überhaupt nicht hineingezogen werden sollten und wollten, was wir bis dahin auch schon mehrmals klargemacht hatten und auch in Zukunft immer wieder klarstellen mussten.

Der für mich wichtigste Gedanke, mit dem ich aber aus dem Gespräch hinausgegangen bin, war der krasse Widerspruch zwischen der Aussage, dass sie ja wüsste, dass dieses „junge unschuldige Mädchen“ so etwas niemals machen würde und der Tatsache, dass Elena sie aber offensichtlich direkt gefragt hatte, ob etwas derartiges vorgefallen wäre.
Ich fühlte mich dann ein bisschen so, als hätte sie mich angelogen.

Dieser Zwischenfall sorgte für eine mehr als unangenehme Atmosphäre. Meine Mitfreiwillige entschied sich gegen einen Abbruch, wofür sie jeden Grund gehabt hätte, und dafür, weiterhin für die Tiere zu arbeiten. Das rechne ich ihr sehr hoch an.

Ich denke, es war einige Tage später, dass wir dann bei einem Pferd etwas Ungewöhnliches im Fell fanden und Jonás zu uns riefen und ihn um seine Meinung baten, da Elena an diesem Tag nicht auf dem Hof war. Wir unterhielten uns erst über die Pferde und dann entschuldigte er sich noch einmal für den Zwischenfall und wir sprachen über uns und wie wir uns zu dieser Zeit auf dem Hof fühlten. Das war ein recht langes Gespräch und wir hielten dieses offensichtlich für alle auf dem Rasen in der Nähe vom Haus. Schließlich sehe ich dabei keine Straftat. Allerdings wurden wir die meiste Zeit streng und kritisch von Gemma beobachtet, die dann natürlich auch Elena anrief und ihr davon berichtete.

Noch einmal etwas später verließen meine Mitfreiwillige und ich den Hof eines Mittags eher, um an unserem Sprachkurs in Tarragona teilzunehmen. An diesem Nachmittag erhielten wir eine Nachricht von Jonás, dass er abends ein Pony in der Nähe von Barcelona retten würde und ob wir mitkommen wollten. Wir hatten ihn ca. einen Monat davor gefragt, ob er uns mal zu einer Rettung mitnehmen würde, da uns das sehr interessierte und wir ja auch schon einige Monate auf dem Hof waren. Wir waren uns erst unsicher, da ja kurz vorher von der angeblichen Affäre gesprochen wurde und wir noch mehr Probleme vermeiden wollten. Allerdings kamen wir beide zu dem Schluss, dass es einfach nichts falsches ist, bei der Rettung eines missbrauchten Tieres zu helfen und wir dafür ja an diesem Projekt teilnahmen.
Also fuhren wir mit. Es war ein sehr beeindruckendes Erlebnis und an diesem Abend lernten wir unglaublich viel über den Ablauf solcher Rettungsaktionen.
Wir erfuhren auch von ein paar Hühnern, die unter sehr schlechten Bedingungen lebten und die Jonás als nächstes retten wollte, aber irgendwie geschah dies dann nie, was sicher nicht an ihm gelegen hatte.

Am nächsten Morgen sahen wir das Pony dann auf dem Hof wieder. Als Elena durch einen anderen Freiwilligen erfuhr, dass wir beide bei der Rettung dabei waren, gab es einen Streit zwischen ihr und Jonás, den wir aus der Ferne mitbekamen. Zu unserem Glück kam dann Jonás zu uns und meinte, dass wir sicher bald ein Gespräch mit Elena haben werden, aber dass wir uns immer bewusst sein sollen, dass wir absolut nichts Falsches getan haben und dass es auch nicht verwerflich ist, dass wir einfach nur bei ihm im Auto mitgefahren sind oder Ähnliches. Es erscheint mir traurig, dass das nötig war, aber das hatte mir wirklich geholfen, denn so selbstverständlich das alles einem Außenstehenden erscheinen mag, immer wieder lief ich Gefahr, diesen „normalen“ Blick auf die Dinge zu verlieren und darüber nachzudenken, ob ich damit nicht doch etwas Falsches oder Unangebrachtes getan hätte. Dabei finde ich schon, dass meine Mitfreiwillige und ich noch den gesündesten Blick auf die Dinge hatten, die auf dem Hof abliefen. Wahrscheinlich auch, weil wir glücklicherweise nicht dort wohnten und somit noch Kontakt zur „normalen Welt“ hatten. Ansonsten wären wohl auch unsere Gehirne irgendwann gewaschen worden, so sehr wir uns auch dagegen wehrten. Und so sehr wir auch meiner Meinung nach mit die psychisch Gesündesten und Stabilsten waren, die sich über eine so lange Zeit auf dem Hof aufgehalten haben.

Jedenfalls folgte kurz darauf auch das Gespräch mit Elena. Sie rief uns beide zu ihrem Schreibtisch und bat eine andere Freiwillige, die gerade in der Nähe war, das Haus kurz zu verlassen. Sie begann das Gespräch damit, dass sie weiß, dass wir überhaupt nichts Falsches gemacht haben, indem wir mit zu der Rettung gefahren sind. (Da hatte Jonás ihr also schon einmal einen Denkanstoß gegeben und sie hatte ihre Strategie geändert.) Sie wollte uns lediglich vor ihm warnen, denn das erschien ihr wichtig. Sie erklärte uns, dass Jonás sehr böse Absichten ihr gegenüber hätte und versuche, alle Freiwilligen gegen sie zu stellen. Das war interessant, da ich vorher eigentlich ein genau gegenteiliges Bild von der Situation hatte (, also dass sie alle gegen Jonás stellen möchte.) Da hat sie mir ja zum Glück auf die Sprünge geholfen. Des Weiteren hat sie uns dann noch erklärt, dass er uns nur ausnutzen möchte, dass er Gespräche aufnimmt und dass er ganz sicher etwas Schlechtes über sie gesagt hat und dass wir das auf keinen Fall glauben sollten. Ich antwortete ihr dann, dass wir gar nicht über sie gesprochen hätten. Auch sagte sie, dass sie zum Beispiel nicht verstehe, was seine Absicht dabei war, dass er sie angelogen hätte in Bezug darauf, dass wir am Vorabend mit ihm zur Rettung gefahren sind. Ich fragte sie, ob er ihr gesagt hätte, dass er alleine fährt. Sie sagte dann, er hätte gar nichts gesagt. Stille. Ich suche noch immer die Lüge.

So sinnlos das ganze Gespräch im Endeffekt auch war, mir hat es geholfen, mir über einiges klarzuwerden.
Dass jemand einem Schwachsinn erzählt, kann immer sein. Aber bei manchen Menschen findet man dann heraus, dass es Schwachsinn ist und kann seine Schlüsse daraus ziehen. Jonás hat mir soweit ich das wissen kann wohl aber noch keine manipulierenden Lügen erzählt. Andere Leute auf dem Hof anscheinend schon.

Tage und Wochen später war auch immer noch die Frage offen, was mit den Hühnern passiert, die zu retten waren. Wir hatten beide unsere Hilfe angeboten und drängten immer wieder Jonás, da wir Videoaufnahmen gesehen hatten und die Tiere dort herausholen wollten. Er sagte wiederholt, dass das jetzt nicht geht sondern erst später, bis er dann irgendwann mit der Sprache herausrückte und uns sagte, dass Elena gegen die Rettung war. Sie wollte nicht noch mehr Tiere und somit noch mehr Arbeit haben.

Der Beweis kam sofort und live für mich:
Eines Morgens kamen wir beide auf dem Hof an und auf dem Parkplatz trafen wir die Putzhilfe, die eine Tiertransportbox aus dem Auto holte. Darin befand sich ein kleines Wildhasenbaby. Sie sagte, dass sie es bei sich zu Hause gefunden hatte. Ihre Katze trug es im Maul und tat ihm auch nicht weh, doch sie wusste, dass die anderen Katzen es machen würden. Sie kannte die Stellen, wo die Hasenfamilien auf den Feldern wohnten, das war für den kleinen Hasen zu weit von seinem derzeitigen Standort entfernt. Er war deutlich geschwächt und so brachte sie ihn mit zum Hof, da er offensichtlich Hilfe brauchte und sie schon auf dem Weg zur Arbeit war. Oben in der Küche angekommen, rief sie dann Elena mit einer Andeutung auf die Situation durchs Walkie-Talkie zu uns. Diese betrat das Haus dann mit einem gestressten und wütenden Gesicht. Die Putzhilfe erklärte die Situation und Elena fuhr sie erst einmal an, dass sie völlig falsch gehandelt hätte, dass sie vorher hätte anrufen sollen, dass man so ein Tier gar nicht ohne Handschuhe anfassen sollte und dass man es auf keinen Fall direkt auf den Hof mit den vielen anderen Tieren bringen kann. Es könnte krank sein und dadurch eine große Seuche ausbrechen. Gut, da mag Elena ja erst einmal prinzipiell Recht haben. Dennoch erschien mir diese angreifende und laute Art und Weise, mit der sie das sagte, falsch. Schließlich war die einzige und erste Absicht der Frau gewesen, dem Tier zu helfen. Dabei hatte sie vielleicht nicht so viel nachgedacht, das passiert, aber nun war das Tier ja schon einmal da. Elena beließ es aber nicht dabei, sondern sie redete immer und immer weiter und wurde dabei immer anklagender. Sie sagte, dass nicht einfach jeder Freiwillige ein Tier, das er findet und das Hilfe braucht, erst einmal zu ihr bringen kann. Ist ein Tierrettungshof nicht aber dafür da? Und sie sagte, dass sie ja schon 200 Tiere habe, um die sie sich Tag und Nacht kümmern muss und dass es ja ganz nett sei, dass wir ihr alle dabei auch ein bisschen helfen würden, aber dass wir dann alle am Ende des Tages Feierabend machen und uns dann nur noch um uns kümmern oder dass wir am Wochenende auch nicht kommen und sie dann aber 24/7 die Verantwortung hat und mehr Arbeit einfach nicht auf sich nehmen kann.
Allerdings hat sie da kurz vergessen, dass wir uns ihren Lebensweg eben nicht ausgesucht haben und dass meine Mitfreiwillige und ich z.B. 40 Stunden die Woche für sie unbezahlt auf dem Hof gearbeitet haben, um sie bei der vielen Arbeit zu unterstützen. Das finde ich eigentlich tatsächlich nett von uns.
Mit diesem langen, lauten Monolog zerstörte sie das Bild, das ich von ihr als Tierschützerin hatte, dann völligst. Schließlich beklagte sie sich auch über die durch den Hasen entstehenden Tierarztkosten und den Zeitaufwand. Aber wenn sie die Mutter aller Tiere ist, ist sie dann nicht auch die Mutter dieses kleinen Häschens?
Nach all dem schaute sie dann überhaupt erstmal das Tier an.
Sie bat die Putzfrau, mit ihm zum Tierarzt zu fahren und sich mehr oder weniger selbst darum zu kümmern, da es ja eigentlich „ihr Problem“ war. Elena meinte auch, der Hase könne dann nicht auf dem Hof bleiben, das würde mit den Hunden und Katzen nicht funktionieren und das alte Kaninchengehege ist nicht mehr da und es gäbe eigentlich keinen wirklichen Platz so auf die Schnelle. Die Putzhilfe meinte aber, sie habe keine Möglichkeit, das Tier bei sich unterzubringen. Meine Mitfreiwillige und ich boten dann an, es bei uns in der Wohnung unterzubringen, solange es Pflege brauchte und unter der Bedingung, dass Elena uns einen Käfig, Futter und das restliche Zubehör ausborge. Somit war erst einmal eine Einigung erreicht. Die gesamte Diskussion lief vor dem Tier ab.

Wir begannen dann mit unserer Arbeit und ca. eine Stunde später wurden wir noch einmal dazu gerufen, weil sich die Tierärztin, die zweimal wöchentlich auf den Hof kommt, auch noch einmischen wollte. Es ging eine ähnlich lange und stressige Diskussion los, wieder vor dem Tier, das dabei nicht mal mehr im Käfig war, sondern gefüttert und auf dem Arm gehalten wurde. Die Kosten für die Kastration wurden diskutiert, da Elena nun doch einverstanden war, das Häschen auf dem Hof zu behalten, aber meinte, sie könne die Kosten der dadurch notwendig werdenden Kastration nicht tragen und dass wir die ja dann unter uns dreien (Putzhilfe, meine Mitbewohnerin und ich) aufteilen sollten. Ich fragte dann, was sowas denn koste und Elena meinte, dass sie das nicht wisse und merkte anscheinend, dass es wohl auch überhaupt nicht unter meine Verantwortung und Möglichkeiten fiel und sagte dann, dass eigentlich die Person, die das Tier gefunden hatte, die Kosten übernehmen sollte. Die schlussendliche Entscheidung war dann aber diejenige, dass das Tier wieder dort ausgesetzt werden sollte, wo es gefunden wurde. Die Tierärztin meinte, das wäre das beste für den Hasen, dem es angeblich auch gut ginge und der am Morgen nur in eine Schockstarre gefallen sei. Aber wenn man ihn wieder aussetze, würde er wohl mit hoher Wahrscheinlichkeit überleben.
Das Tier starb dann vor Stress im Auto auf dem Weg zur Fundstelle.

Früher war der El Hogar für mich ein Ort gewesen, an dem jedes Tier, das Hilfe benötigt, Hilfe bekommt.

Ich musste einsehen, dass das nicht mehr der Fall war. Das machte mich sehr sehr traurig.
Denn vorher beeinflusste das ganze Drama zwischen den Menschen nicht das Wohl der Tiere und es konnte mir egal sein. Doch das war ein Wendepunkt…

Mir wurde bewusst, dass für Elena auf einmal nicht mehr alle Tiere gleich wert und gleich wichtig waren. Denn den Hühnern und dem Hasen und anscheinend auch anderen Tieren, die Hilfe brauchten, wollte sie plötzlich nicht mehr helfen.
Die Rettung der Kuh Margarita dagegen war dann doch wichtiger als alles andere. Elena kam dadurch ins Fernsehen und erhielt unglaublich viel Aufmerksam und Spenden. Sie lernte, dass sie durch einen cleveren Onlineauftritt sehr viel erreichen kann und nutzt das ja auch jetzt gerade geschickt aus. Ich denke, dass sie in der Zeit und mit dem Aufwand, den sie für Margarita betrieben hat, viel mehr Tiere hätte retten können. Nur eben ohne Medienrummel. Dabei sage ich nicht, dass Margarita nicht verdient hat, gerettet zu werden. Viele andere Tiere haben es nur genau so sehr verdient.

Auch als es vor Kurzem ein Babywildschwein zu retten galt, war dieses sofort da. Das ist auch schön, ist etwas besonderes und kommt im Internet auch besser an als die 10 Hühner, die immer noch in ihrem dreckigen Verschlag hocken, wenn sie nicht schon gegessen wurden.
Vielleicht gibt es aber auch ernsthafte Gründe, warum bestimmte Tiere nicht gerettet werden konnten, das kann ich ja nicht einschätzen. Bis jetzt wurden immer irgendwelche Begründungen für alles gefunden.

Während all dies so passierte, entwickelte sich natürlich auch die Situation bezüglich Jonás immer weiter. Er wurde immer und immer weiter isoliert, andere Freiwillige berichteten uns, dass die absurdesten Geschichten über ihn erzählt wurden, wie beispielsweise, dass er Frauen missachte und schlage und kein richtiger Veganer sei. Auch gab es vor einiger Zeit ja mehrere Skype-Meetings, in denen neue Freiwillige, die ihn überhaupt nicht kannten, gebeten wurden, Dr. Henrich zu erklären, was für ein schlechter Mensch Jonás sei. Sie berichteten uns, dass sie das eigentlich gar nicht wollten, aber durch den Druck, der für sie entstand, einfach sagten, was von ihnen verlangt wurde. Auch wurde gesagt, dass wenn alle anderen sagen, dass er so ein schlechter Mensch sei, er das ja auch bestimmt sein muss. Irgendeinen Grund muss es ja geben für das heftige Verhalten der anderen.
Übrigens wurde Freiwilligen, die ihn hin und wieder in Schutz nahmen, gesagt, dass sie wohl –nein, kein Spaß- zur „dunklen Seite“ wechseln würden.

So waren meine Mitfreiwillige und ich im Endeffekt irgendwann die einzigen auf dem Hof, die überhaupt noch mit ihm redeten. Das gefiel Elena überhaupt nicht gut. Sie sagte Dinge wie: „Ihr verbringt zu viel Zeit mit Jonás. Er wird euch noch austricksen, ihr werdet schon sehen“ oder an dem Tag, als es ein Meeting gab, weil sie den Brief erhalten hat, der besagte, dass sie das Land verlassen müsse, begann sie das Meeting damit, dass sie sich vor allen direkt an uns beide richtete und sagte, dass sie klarstellen will, dass wir ja sehr viel Zeit mit Jonás verbringen und dass wir aufpassen sollen, mit was für einer Sorte von Personen wir uns umgeben. Mit Personen, die verlogen sind, die uns ausnutzen und austricksen und so weiter.

Allen missfiel deutlich, dass wir uns nicht verbieten ließen, weiterhin mit ihm zu sprechen. Allerdings hatten wir keinen Grund, dies nicht zu tun und wir hatten beide den Vorteil, dass wir sehr wichtig für den Hof waren. Wir konnten sehr gut mit den Tieren umgehen, hatten schon 10 Monate Erfahrung und arbeiteten jeden Tag sehr hart, um alle unsere Aufgaben erfüllen zu können. An manchen Tagen erledigten wir unsere Aufgaben sogar noch schneller als sonst, damit wir uns beispielsweise wenn Jonás nicht da war, noch um Kat, das Wildschweinbaby, kümmern konnten, weil wir wussten, dass wir es gewissenhaft und ordentlich machen würden und sie eine enge Bindung zu uns aufgebaut hatte. Andere Freiwillige hingegen machten gerade in letzter Zeit sehr viele Pausen, nach Beobachtungen und Aussage anderer Freiwilliger, die den ganzen Tag putzen mussten, weil sie nur kürzer da waren, waren es Elenas Freunde, die es dann doch eher mal entspannt angehen lassen konnten. Natürlich ging auch viel Zeit dafür drauf, sich um Telefonate und Treffen mit Anwälten und Beratern zu kümmern.
In jedem anderen Job hätte ich einfach auch weniger gearbeitet. Aber ich wollte nicht, dass die Tiere unter der Situation leiden. Im Endeffekt sind wir aber beide zu dem Schluss gekommen, dass die Atmosphäre auf dem Hof keine mögliche Arbeitsatmosphäre für uns ist und dass wir mit solchen Menschen, nachdem die vielen falschen Veröffentlichungen in den Medien stattfanden, einfach nicht mehr zusammenarbeiten können.

Vielleicht merkt man es in der Veränderung der Zeitformen in meinem Bericht. Diesen habe ich nämlich vor und dann während meiner Entscheidungsbildung geschrieben. Am Anfang sagte ich ja noch, dass ich Angst habe vor dem Tag, an dem ich mich von den Tieren verabschieden muss. Dieser Tag ist nie gekommen, da ich, als ich die Tiere das letzte Mal gesehen habe, nicht wusste, dass es das letzte Mal sein würde. Ich hatte dann noch überlegt, einen weiteren Tag hinzugehen und mich zu verabschieden. Auch diese Möglichkeit sehe ich jetzt nicht mehr. Ich kann und möchte diese Leute nicht mehr wiedersehen und ich würde mich dort nicht einmal mehr sicher fühlen. Dieser Punkt tut mir im Herzen weh und jeden Tag denke ich an die Tiere, die ich zurückgelassen habe, ohne mich zu verabschieden.

Es war eine sehr schwere Entscheidung, da ich es unglaublich ungerecht finde, die Tiere unter der Situation leiden zu lassen. Doch für mich gibt es keinen anderen Weg mehr.
Ich habe sehr lange mit der unfairen Situation auf dem Hof gelebt und weitergemacht, um den Tieren zu helfen, zu denen ich unbeschreiblich enge Bindungen aufgebaut habe. Doch das, was jetzt gerade passiert, ist einfach unglaublich schrecklich.

Zu den öffentlichen Vorwürfen Jonás gegenüber möchte ich sagen, dass er vor mir niemals Gewalt gegenüber einem Menschen oder einem Tier angewandt hat. Er hat mich immer mit sehr viel Respekt und Wertschätzung behandelt und mir sehr viel über den Umgang mit Tieren, Tierrettung und Tierschutz beigebracht. Auch andere Freiwillige hat er immer mit Respekt behandelt. Manchmal wurde eine Aufgabe nicht richtig erledigt und er hat die Freiwilligen dann gebeten, diese zu wiederholen. Das finde ich logisch, so funktioniert Arbeit. Er war niemals beleidigend. Seit Monaten hat er sich zurückgezogen, irgendwann nicht einmal mehr mit uns gegessen. Er versuchte so, Konflikte zu vermeiden.

Ich bedaure die jetzige Situation zutiefst und habe große Schwierigkeiten, mit einer so unbeschreiblichen und skrupellosen Ungerechtigkeit umzugehen.