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„Zwei Jahre ist es her, dass die Krebsforschungsagentur der WHO, kurz IARC, Glyphosat als wahrscheinlich krebserregend für den Menschen bewertet hat. Doch die EU-Behörden, unter Führung der europäischen Agentur für Lebensmittelsicherheit, kurz EFSA, sehen keine krebserregende Wirkung von Glyphosat. Jetzt ist die Entscheidung gefallen: mindestens fünf weitere Jahre für Glyphosat in der EU. Das allerdings vor dem Hintergrund großer Fragezeichen, was die Bewertung der EU-Behörden angeht. Denn die haben offenbar wichtige Teile ihrer Bewertung einfach bei der Industrie abgeschrieben.

Helmut Burtscher, Chefchemiker der Umweltorganisation Global 2000, ist der Mann, der die Affäre um Copy and Paste ins Rollen brachte: Bei der Arbeit an einem Buch zu Glyphosat fielen ihm die extremen Textübereinstimmungen auf, zwischen den Vorlagen der Industrie und dem Bewertungsbericht der Behörden. Er hat aller Textübereinstimmungen im Bewertungsbericht rot markiert. ‚Und Sie sehen: alles das ist rot – weil es auf Punkt und Beistrich abgeschrieben worden ist vom Zulassungsantrag der Hersteller.‘, erklärt Burtscher.

Kopiert wurden vor allem die Urteile der Industrie über unabhängige Studien zu Glyphosat, die zum Beispiel von staatlichen Forschungseinrichtungen und Universitäten stammen. Es waren meist nur die naturgemäß wenig glyphosat-kritischen Studien der Industrie selbst, die die Behörden kommentiert haben. Auch die Werturteile wurden wörtlich übernommen: ‚nicht relevant‘, sowie ‚nicht vertrauenswürdig‘ etc.

Der Chef der Pestizidabteilung der EFSA, der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, José Tarazona, hält die Übereinstimmungen in den Texten für nicht relevant: ‚Die relevanten Gesichtspunkte, die Schlussfolgerungen der Behörde sind im Band 1 des Bewertungsberichts. Und es gibt kein Copy-and-paste in Band 1!‘, sagt Tarazona.

Kein Copy-and-Paste in Band 1 der Bewertung? Das ist falsch. Im Abschnitt über die epidemiologischen Studien, also die Studien am Menschen zeigt sich: Rund die Hälfte dieses Abschnittes ist auch in Band 1 wörtlich aus dem Industriedossier übernommen.

Die EFSA, erklärt die gefundenen Übereinstimmungen folgendermaßen: Die Änderungen an den von der Industrie gelieferten Bewertungen würden dort vorgenommen, wo es nötig sei. Was im Umkehrschluss heißt: Bei den Urteilen der Industrie über die meisten unabhängigen Studien war es nicht nötig. Nur: liegt es nahe, dass die Glyphosat-Hersteller dazu neigen werden, kritische Studien von unabhängiger Seite eher abzuwerten.

Wissenschaftler wie der Epidemiologe Professor Andreas Seidler von der TU Dresden sehen die Kopier-Aktionen der Behörden kritisch. Denn wenn Behörden zu oft sagen: Wir sehen das genauso wie die Industrie – dann kann das Folgen haben. Der Bewertungsbericht sei insgesamt einseitig in dem Sinne, dass die vermeintlichen Schwächen der einbezogenen epidemiologischen Studien deutlich betont werden, erklärt der Epidemiologe.

Die Entscheidung ist nun gefallen: Glyphosat ist für weitere fünf Jahre in der EU zugelassen. Allerdings: Die Diskussion um die Qualität der Behördenbewertung des Pflanzengifts wird wohl nicht so schnell beendet sein.“

https://www.mdr.de/investigativ/video-161024_zc-f80c8d3a_zs-0fdb427d.html

https://www.mdr.de/investigativ/glyphosat-abgeschrieben-industie-100.html